Der Wächterdienst

Die intelligenten (oder aufmerksamen) und informierten Wachposten
Author: Wolfgang Bühne

Das Thema „Wachsamkeit“ spielt im AT und im NT eine große und wichtige Rolle. Wir denken im AT an die Türwächter der Stiftshütte und des Tempels, an die Wächter an den Stadttoren und auf den Stadtmauern und erinnern uns daran, dass die Propheten oft auch als „Wächter“ bezeichnet wurden, weil sie vor kommenden Gefahren zu warnen hatten.

Die ernsten Worte, die Gott zu Hesekiel gesprochen hat , haben uns sicher schon oft erschüttert: „Menschensohn, ich habe dich dem Haus Israels zum Wächter gesetzt: du sollst das Wort aus meinem Mund hören und sie von meinetwegen warnen...“(Hes. 33,7

Im NT denken wir an die vielen Aufforderungen des Herrn zur Wachsamkeit in seinen Endzeitreden und an die ernsten Ermahnungen der Apostel, wenn sie im Hinblick auf drohende Gefahren zur Wachsamkeit und Nüchternheit aufrufen.
Aus den vielen Stellen möchte ich je eine aus dem AT und dem NT herausgreifen:

Nehemia 7, 1-3
Mark. 13, 33-37

Die Bücher Esra und Nehemia bieten uns sehr praktischen Anschauungsunterricht für die Gefahren unserer Zeit, für die geistliche Auseinandersetzung mit diesen Gefahren und die Notwendigkeit der Wachsamkeit.

Nachdem uns im Buch Esra der Wiederaufbau des Altars und des Tempels in Jerusalem nach der babylonischen Gefangenschaft geschildert wird, zeigt uns das Buch Nehemia, wie Gott Wert darauf legt, dass der Tempel und die Stadt Jerusalem durch eine Mauer vor Feinden von Außen geschützt werden soll.
In beiden Büchern wird geschildert, wie die Feinde Jerusalems verschiedene Strategien entwickeln, um die Arbeit der Israeliten zu stören und zu verhindern:

- Spott
- Verleumdung
- Angebot der Zusammenarbeit
- Drohung
- Ablenkung
- Offene Feindschaft
- Vermischung

Die Führer des Volkes Gottes widerstanden damals allen Versuchungen und Drohungen, verweigerten jede Zusammenarbeit mit den Feinden und folgten den deutlichen Vorschriften Gottes.

Nehemia hatte die große Aufgabe bekommen, die zerstörte Stadtmauer Jerusalems wieder aufzubauen und wir finden in diesem Buch einige Details, die für unser Thema eine wichtige und hilfreiche Illustration sind.

Es geht um

• eine geschlossene Mauer
• zwölf abschließbare Tore
• Wächter an den Toren
• besondere Öffnungszeiten der Tore

Die Mauer

Eine Stadtmauer hatte in alten Zeiten die Aufgabe Schutz vor Angriffen der Feinde zu bieten und gleichzeitig eine Einheit deren zu bilden, die innerhalb der Stadtmauer wohnten.

Die Mauern (oder auch Zäune) in der Bibel hatten die gleiche Aufgabe zu erfüllen (vgl. die Umzäunung der Stiftshütte).

Eine Mauer bildet eine unübersehbare Grenze und macht deutlich, dass es ein Drinnen und ein Draußen gibt. Damit ist also die Mauer eine Illustration für ein neutestamentliches Thema, dass in der frühen Brüderbewegung eine wichtige Rolle gespielt hat: Absonderung oder Heiligung.

Gott möchte das wir das, was ihm wichtig und wertvoll ist, vor Angriffen von Außen schützen.

Für uns heute bestehen „Mauern“ aus einer biblischen Dogmatik und Apologetik, aus einem eindeutigen Bekenntnis zur Autorität der Bibel und zur Herrschaft Jesu in unserem persönlichen Leben und in unserem Gemeindeleben.

Abschließbare Tore

Wie beim Bau der Stiftshütte legt Gott aber auch Wert darauf, dass es einen Zugang zur Stadt gibt: Es sollten 12 Tore eingebaut werden.

Tore sind die Kontaktstellen zur Außenwelt. Bei aller Betonung der Absonderung legt Gott grossen Wert darauf, dass der Kontakt zur Außenwelt möglich ist und dass Menschen in die Stadt kommen können.

Die Tore reden neutestamentlich von unserem Auftrag, in alle Welt hinauszugehen, um das Evangelium zu verkündigen und Menschen aus der Welt für den Herrn und seine Gemeinde zu gewinnen.

Absonderung oder Heiligung bedeutet also nicht nur Trennung oder Isolation, sondern gleichzeitig auch Licht und Salz in einer gottlosen Welt zu sein.
Aber diese Tore sollten abschließbar und bewacht sein. Hier wird deutlich, dass die Kontaktstellen zur Außenwelt wichtig aber auch gefährlich sind. Eine Mauer ohne abschließbare Tore würde keinen Schutz bieten und wäre zwecklos.

Wachposten

Während die Tore geöffnet sind, sollten sie von Wächtern bewacht sein, die ein geübtes Auge dafür haben, ob mögliches Gefahrengut nach Jerusalem eindringt, oder ob Wertgegenstände aus Jerusalem hinausgeschmuggelt werden.

Auch dieses Bild ist uns in der Gegenwart bekannt: Die Zugangsstellen eines Staates werden streng überwacht. Die Personalien werden überprüft, manchmal muss ein Visum gezeigt werden und das Gepäck wird durchleuchtet. Man hat Angst vor Terroristen , vor Obst und Gemüse, dass bakteriell verseucht ist, vor Krankheiten, die eingeführt werden könnten.

Umgekehrt achtete man darauf, dass keine Kulturgüter in das Ausland verschwinden. Wächter müssen daher aufmerksam, geschult und erfahren sein.

Öffnungszeiten

Nehemia 7 zeigt uns, dass die Tore nur zu bestimmten Tageszeiten geöffnet werden durften. Nur wenn die Sonne am Himmel zu sehen ist, durften die Tore geöffnet sein, in der Dämmerung und Nacht sollten die Tore geschlossen bleiben. Die Absicht ist klar: Im Halbdunkel kann man leicht getäuscht werden, daher sollten alle Kontrollen nur bei Tageslicht durchgeführt werden.

Die Anwendung für uns ist leicht: Nur im hellen Licht des Wortes Gottes und unter der Leitung des Heiligen Geistes soll der Aufseherdienst oder Wächterdienst getan werden. Nicht Traditionen oder Vorschriften von Menschen sollen Prüfungskriterien sein, sondern das Wort Gottes.

Zwei Gefahren

In der Kirchengeschichte hat es zu allen Zeiten zwei Gefahren gegeben:

1. Eine unbiblische Ansonderung

Um das Bild der Mauer zu gebrauchen: Man baut hohe Mauern ohne Tore. Man möchte die Gemeinde vor unguten Einflüssen von Außen bewahren und achtet darauf, dass man völlig getrennt und isoliert wie in einem Ghetto lebt.
Auf diese Weise kann man sich allen Einflüssen von Außen entziehen, aber die Gefahr ist groß, dass man steril, traditionell und hochmütig wird und die Isolation von der Umwelt oft zu Bruderkrieg innerhalb der Mauern führt. Solche Gemeinden erleben dann oft unnötige Trennungen oder sterben aus, weil durch die fehlenden evangelistischen Kontakte keine Menschen zur Gemeinde hinzugefügt werden, die das Gemeindeleben mit frischem Blut beleben und vor Traditionalismus bewahren.
Versammlungen, welche nur noch die reine Lehre und Absonderung predigen, sterben aus, weil sie dem Auftrag des Herrn nicht folgen, Licht und Salz in dieser Welt zu sein.

2. Eine unbiblische Offenheit

Heute besteht jedoch die größere Gefahr darin, dass viele Gemeinden sich nicht mehr durch eine klare Lehre und biblisches Verhalten von der Welt absondern, sondern dass alle Lehren und theologische Überzeugungen als trennend empfunden werden und man die Mauern abreißt und sich nach allen Seiten hin öffnet.
Natürlich gewinnt man dann die Anerkennung der Gesellschaft, auch die der religiösen Welt, aber man verliert bei aller Akzeptanz die Identität, die geistliche Kraft und Autorität.

A.W. Tozer hat einmal sehr treffend geschrieben: „Toleranz wird ganz schnell zur Feigheit, wenn es um geistliche Dinge geht...Wir benötigen gerade heute einen freundlichen Dogmatismus, der lächelt, während er fest und unbeugsam auf dem lebendigen und ewig bleibenden Wort Gottes besteht.“

Wie sollte daher ein geistlicher Hirten- oder Wächterdienst aussehen?

Die Hirten oder Aufseher der Gemeinde sollten ein großes Interesse dafür haben, wie das geistliche Leben der einzelnen Geschwister aussieht und welches Gedankengut sie in sich aufnehmen,

- durch Medien wie Fernsehen, Videos, Bücher, Zeitschriften,
- durch Kontakte, Besuche von Veranstaltungen fraglicher Organisationen und Gemeinden,
- durch Freizeitbeschäftigung, Hobbys usw.

Dabei geht es nicht um eine gesetzliche, lieblose Überwachung, sondern um seelsorgerliche und ermutigende Begleitung, Hilfestellung und Korrektur.Es sollten nicht traditionelle Auffassungen und Gewohnheiten, sondern allein Gottes Wort der Maßstab sein, an dem alles geprüft wird.

Es muss aber auch positiv und auferbauend an den Geschwistern gearbeitet werden, damit sie selbst in der Lehre der Bibel fest gegründet und in der Lage sind innerhalb der orientierungslosen Christenheit eine biblische Absonderung und geistliche Offenheit zu praktizieren.

Paulus ist in diesem Aufseher- und Wächterdienst ein gutes Vorbild: „Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde...aus euer Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen, hinter sich her. Darum wacht und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, einen jeden unter Tränen zu ermahnen. Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade...“ (Ap. 20, 28-32)

Für diesen Wächterdienst an den Toren der Mauer ist vor allem eine gute Kenntnis der Bibel Vorraussetzung. Man kann nicht alle Strömungen und Irrlehren in der Welt und in der Christenheit kennen. Aber je besser wir die Bibel und das Vorbild unseres Herrn vor Augen und im Herzen haben, werden wir Mietlinge von guten Hirten, Steine von Brot, Täuschung von Echtheit, Lüge von Wahrheit unterscheine können.

Natürlich ist es auch gut und nützlich, zusätzlich gut informiert zu sein über das, was in der Welt und in der Christenheit als neue Erkenntnisse oder Trends verbreitet wird und die irgendwann auch unsere Versammlungen beeinflussen werden. Dazu können Informationsschriften und auch Zeitschriften aus den jeweiligen Lagern eine Hilfe sein, wenn man Zeit und Geld hat, diese zu abonnieren und zu lesen.

Wir können uns aber auch gegenseitig dienen und informieren, denn nicht jeder von uns kann selbst alles untersuchen. Oft helfen hier auch Nachschlagewerke, Sachbücher oder aktuelle Aufklärungsschriften von Brüdern, die unser Vertrauen haben.

Dieser Aufseherdienst muss in Demut, mit viel Liebe und Geduld geschehen. Man muss mit Wiederstand und Ablehnung rechnen. Wahrscheinlich werden sich manche Geschwister nicht warnen lassen und dann entsteht die Frage, ob wir solche Geschwister eine Zeit lang tragen müssen, weil sie schwach sind, oder ob über eine Form der Gemeindezucht nachgedacht werden muss.Oft sind es unreife, aber eifrige, sich nach Erweckung suchende Geschwister, die von dem scheinbar „geistlichen“ Leben und der Attraktivität fraglicher Persönlichkeiten, Gemeinden und Aktionen angezogen werden und von der Gleichgültigkeit, Trägheit und dem Formalismus unserer Versammlungen abgestoßen werden.

Deshalb ist es von größter Wichtigkeit, dass wir den Herrn bitten, dass er in unserem persönlichen Leben und im Gemeindeleben ein Erweckung schenkt und der Geist Gottes Liebe zum Wort Gottes und Hingabe an den Herrn Jesus bewirkt zur Verherrlichung Gottes und zum Segen unserer Mitgeschwister und Mitmenschen....