Die Hütte – Gott, mein Diener?

Stellungnahme zum Bestseller „Die Hütte“ von William Paul Young

Author: Stefan Vatter (Hauptpastor EFG- Kempten)

Kaum ein Buch wurde in den letzten Jahren so kontrovers diskutiert wie der Bestseller „Die Hütte“ von William Paul Young. Der Roman ist eine treffende Darstellung eines neuen Gottesbildes, das das Empfinden von Millionen von Christen widerspiegelt. „Die Hütte“ trifft den Nerv der Zeit. In seinem Buch beschreibt Young einen Mann (Mack), der vier Jahre nach der tragischen Ermordung seiner sechsjährigen Tochter an den Ort des Verbrechens zurückgeführt wird, zu einer verlassenen Hütte inmitten der Wildnis. In dieser Hütte begegnet Mack dem dreieinigen Gott. Allerdings ganz anders, als man sich Gott vielleicht vorstellt. Gott (Elousia) erscheint ihm in Form einer dicklichen, liebevollen schwarzen Frau, der Sohn Gottes (Jesus) als ein entspannter Schreiner mit großer Nase und der Heilige Geist (Sarayu) als eine stets vergnügt wirkende asiatische Frau. Ein ganzes Wochenende verbringt Mack mit der Trinität in der Hütte. Tiefe Fragen in der Beziehung zwischen Gott und Mensch werden angesprochen. Wo ist Gott in all dem Leid? Wie gestaltet sich eine lebendige Beziehung zu Gott? Welche Rollen spielen eine christliche Gemeinde
oder das Wort Gottes dabei? Mack entdeckt Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist als den Gott, der ihn versteht und auf sein Leid verständnisvoll eingeht. Aus der Begegnung mit Gott erfährt Mack Zug um Zug Heilung und ist sogar schließlich bereit, dem Mörder seiner Tochter zu vergeben. Die Bitterkeit weicht aus seinem Herzen, und er fasst neu Vertrauen zu Gott.

Zwei große Themen ziehen sich durch das Buch:
Zum einen wird der tiefe Schmerz Macks, auch die „große Traurigkeit“ genannt, eindrücklich und verständnisvoll beschrieben. Der Prozess, wie er durch die Begegnungen mit Gott in der Hütte Heilung findet, ist bewegend und auch schriftstellerisch sehr gut dargestellt. Gott kümmert sich liebevoll um die Nöte und Sorgen von Mack. Die Rahmengeschichte des Buches holt den Leser sehr gut ab. Young trifft den Geist der Zeit und nimmt den Leser in die emotionale Not seiner Hauptfigur gekonnt mit hinein. Dabei spricht er tiefe Sehnsüchte wie Vertrauen, Geborgenheit und Versöhnung an. Das Buch beschriebt zum einen einen Menschen, der auf dem Weg zu Gott seine „große Traurigkeit“ verliert und aus der Beziehung zu Gott heraus neu Vertrauen gewinnt.

Zum zweiten entwickelt der Autor parallel zur Hauptgeschichte aus den Gottesbegegnungen ein neues Gottesbild. Im Namen der Trinität arbeitet der Autor nun seine Vorstellung über ein - seiner Meinung nach - echtes Christsein heraus. Der Leser wird gleichsam in einen psychologischen Zangengriff genommen. Auf der einen Seite sieht er eine tief bewegende Not im Herzen von Mack, mit der er geradezu mitfühlen muss. Zum zweiten spricht ja nun Gott selbst als Vater, Sohn und Heiliger Geist zu Mack. Aber genau hier werden die Inhalte des Buches verfänglich. Die Tatsache, dass sich Gott optisch ganz anders vorstellt, als man das vielleicht erwarten würde, ist letztlich nicht das Problem. Wohl aber das, was die drei dann als Lebensweisheit und Theologie von sich geben. Hier begegnet uns eine Mixtur aus biblischen Grundwahrheiten und frei erfundenem, zum Teil irreführendem Gedankengut des Autors. Der Autor relativiert und verfälscht biblische Grundwahrheiten. Dazu einige Beispiele, die, in der Summe gesehen, die Verzerrung des biblischen Gottesbildes verdeutlichen:

1. Relativierungen biblischer Aussagen
Der „Hüttenjesus“ spricht zu Mack: „Ich bin der beste Weg, wie die Menschen zu Papa und Sarayu in Beziehung treten können.“ (125). Jesus sagt jedoch nicht, dass er „der beste Weg“ sei, sondern: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh 14,6). Es ist ein erheblicher Unterschied ob Jesus von sich sagt er sei der beste Weg (neben anderen nicht ganz so guten) oder der einzige Weg zum Vater. Wenn Jesus lediglich der beste Weg zu Gott ist welche anderen Wege gibt es dann noch, jenseits der Erlösung? Solche relativierenden Redewendungen kommen häufig in Youngs Roman vor und verfälschen biblische Grundaussagen.

2. Auflösung von Spannungsfeldern auf Kosten der Wahrheit
Auf die Frage, ob es denn auch Menschen gibt, die Gott nicht besonders gern habe, antwortet Gott: „Nee, da wüsste ich niemanden. So ist es einmal“ (135). Sollten wir ernsthaft glauben, dass Gott einen Stalin oder Hitler besonders gern habe? „Ich brauche die Menschen nicht für ihre Sünden zu bestrafen. Die Sünde trägt ihre eigene Strafe in sich“ (136). Sünde ist Ablehnung Gottes und ein Leben-Wollen auf eigene Faust. Ohne Erlösung ist die Sünde das Verderben des Menschen und dies im Wesentlichen, weil Gottes Heiligkeit keine Ablehnung ihm gegenüber dulden wird. Dass Gott Menschen, die ihn ablehnen und ihr Leben autonom von ihm leben wollen, nicht bestraft, ist biblisch nicht haltbar. Was hat Gott denn beim Sündenfall getan (1 Mo 3)? Hat er den Menschen etwa nicht gestraft?

3. Auflösung heiliger Ordnungen
Glückliche Beziehungen gibt es, so Young, nur ohne Hierarchie und ohne Regeln und Gesetze. Die Trinität selbst sei hierarchielos. „Die Hierarchie bringt Gesetze und Regeln hervor, und als Folge davon entgeht euch das Wunder der Beziehung, wie wir sie für euch vorgesehen hatten“ (140). Hierarchie kommt aus dem Griechischen und heißt wörtlich übersetzt “heilige Ordnung“. Sicher ist die Menschheitsgeschichte und leider oft auch Gemeindegeschichte gefüllt mit Beispielen von missbrauchter Ordnung, Regeln und Gesetzen. Zuordnungen unter Menschen führen aber nicht zwangsläufig zu Machtmissbrauch und Rollenkämpfen. Die letztlich vom Autor im Namen Gottes vorgeschlagene Anarchie, frei von allen Systemen und Strukturen (141), ist eine unlebbare Utopie. Es ist nicht wahr, dass der Mensch als Krone der Schöpfung frei von Systemen und Strukturen ist. Bereits das Wort Paradies bedeutet ursprünglich „Umzäunung“ und bildet das erste System, in dem der Mensch beauftragt wurde, Strukturen zu bilden und Ordnungen zu schaffen. Gott setzte bereits im Paradies eine heilige Ordnung. Auch innerhalb der Trinität gibt es entgegen den Ausführungen des Autors eine Hierarchie – eine heilige Ordnung. Der Sohn ordnet sich dem Vater zu und unter. Die Bibel spricht jedenfalls davon, dass Gott und nicht sein Sohn auf dem Thron sitzt und der Sohn Gott untertan ist (1 Kor 15, 28).

4. Welcher Geist begeistert mich?
Das Vertrauen als Brücke zwischen Mensch und Gott (144) oder auch die Notwendigkeit, den zerstörerischen Pfad der Unabhängigkeit verlassen zu müssen, um mit Gott in Beziehung treten zu können, wird gut aufgegriffen (150). Auch die Subjektivität, was ein Mensch als gut und böse erklärt, ist treffend beschrieben (153). Schließlich wird Mack von Sarayu aufgefordert: „Du musst dich entscheiden, ganz und ausschließlich in mir zu leben. Das kannst du nur, wenn du mich gut genug kennst“ (155). Die Frage, wie ich denn jetzt weiß, was Gut und Böse ist, wird zwar positiv aufgegriffen, aber dann doch nicht beantwortet. Der Autor bleibt in dem gefangen, was er selbst nicht wollte: der völligen Subjektivität. Woran kann ich erkennen, ob ich ganz und ausschließlich mit dem Heiligen Geist lebe? Wie kann ich ihn kennen lernen? Welcher Geist begeistert mich, wenn ich begeistert bin? Sarayu sagt zu Mack: „Ich werde immer bei dir sein.“ Darauf Mack: “Was ist, wenn ich dich mit eineranderen Stimme verwechsle?“ Darauf Sarayu: „Du wirst meine Stimme immer besser kennen, je mehr wir unsere Beziehung weiter entwickeln“ (226). Und wenn ich auf die falsche Stimme (Geist) höre? Woher weiß ich, welcher Geist mich begeistert? Das Buch folgt dem Motto: Was sich für mich gut anfühlt, wird schon richtig und gut sein. „Zwar verstand er nicht genau, was er fühlte – aber es fühlte sich gut an!“ (122). „Lerne so zu leben, dass du dich geliebt fühlst“ (201). In den Gutfühlmodus passen klare Aussagen, die hier nötig wären, nicht hinein. „Prüft die Geister, ob sie von Gott sind“ (1 Joh 4,1).

5. Kaum ein Wort über das Wort
Das Wort Gottes als Richtschnur spielt für den Autor in dem gesamten Roman eine sehr merkwürdige Rolle. So schreibt Young, dass Mack in der Hütte amüsiert auf dem Nachttisch eine Gideon Bibel entdeckt. Als er darin liest, schläft er gleich ein (131). Es scheint so, als hätte die Bibel bei der Hüttentrinität keinen Platz. Inhalte der Bibel, wie die in der Offenbarung beschrieben Straßen aus Gold, werden belächelt (205). Wie es dann wirklich in der Ewigkeit aussieht, wird stattdessen vom Autor des Buches beschrieben. „Die Bibel lehrt dich nicht Regeln zu gehorchen.“ (228). Auch wenn Regeln (Gebote) zu vermitteln sicherlich nicht die vorrangige Aufgabe der Bibel ist, gibt sie uns doch auch Gebote und Ordnungen,
die wir befolgen müssen. Sagt Jesus nicht: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten“ (Joh 14,23)? Die Bedeutung und Notwendigkeit von Regeln und Geboten sind vom Autor diffus und in ihrer befreienden und uns beschützenden Bedeutung nicht verstanden worden (235ff). Die Bibel als Schutz vor Selbstbetrug fehlt. Jeder kann so in der Hütte seines Lebens seinen Gott und seinen Geist finden. Aber ist dies dann auch der Gott und der Geist der Bibel? Diese Maßstabslosigkeit ist verantwortungslos und wird viele Menschen darin bestärken, nach dem Gutdünken ihrer Gefühle sich ihren eigenen Hüttengott zu basteln.

6. Gemeinden und Kirchen als unterdrückende Systeme
Christliche Gemeinden und Kirchen werden, wenn überhaupt, als etwas Zweitklassiges dargestellt. Man spürt dem Autor ab, dass er große Vorbehalte gegenüber jeglicher Form von Kirchen und christlichen Gemeinden hat. Kirche und Gemeinde werden als von Menschen geschaffene Systeme mit einer religiösen Maschinerie (205) beschrieben, die es zu überwinden gilt. Nur ohne Systeme und Programme sind wir wirklich frei (208f). Es ist nachvollziehbar, dass Millionen von Christen auch die Gemeinde Jesu nicht als Paradies auf Erden erlebt haben und auch dort vielen Menschen Leid und Not zugefügt wurde. Christliche Gemeinden müssen sich ernsthaft auf das Wesentliche des Glaubens zurück besinnen und vieles an religiösem Gehabe über Bord werfen. Dürfen wir aber deshalb den Leib Jesu - seine Gemeinde - als so minderwertig zur Seite schieben? Millionen von Familien sind katastrophal sollten wir deshalb die Familie abschaffen? Jesus sagt nach wie vor, dass er seine Gemeinde bauen will (Math 16,18). Als Alternative schreibt Young: Wir sollten als Christen einfach das Leben miteinander teilen (204). Einfach das Leben miteinander teilen? Einfach? Und in welcher Form? Die Gemeinde lässt grüßen!

7. Wer kommt eigentlich in den Himmel?
Buddhisten, Mormonen, Baptisten und Muslime etc. werden als gleichrangige Systeme bezeichnet, auf deren Weg Gott den Menschen folgt und sie ihn jederzeit finden können (208). Aussagen solcher Unklarheit eröffnen jede Art von Verwirrung. Die Vorstellung, dass Menschen in der Ewigkeit auch getrennt von der Gegenwart Gottes leben könnten (186) wird letztlich als liebloses Gottesbild dargestellt. Das himmlische Jerusalem wird als eine Stadt beschrieben, die allen offen steht (203). Die Offenbarung des Johannes besagt jedoch genau das Gegenteil (Offb 21,8ff).

Fazit
Der Roman „Die Hütte“ ist ein Buch, das auf gelungene Weise einen Einblick in eine neue Art des Christseins eröffnet: ein Christsein, das ein Gottesbild kreiert, welches kaum Wort Gottes-, aber desto mehr phantasiebezogen aufgebaut ist. Ein Christsein, in dem Gemeinde und Kirche keine Bedeutung mehr zukommt. Gesetze, Erwartungen, Strukturen oder Systeme jeder Art sind als eingrenzend und der Liebe widersprechend verpönt. Beim Lesen des Buches schwankt man, je nach Abschnitt, zwischen dem Empfinden, eine esoterische oder eine geistliche Lektüre vor sich zu haben. „Die Hütte“ ist ein Gemisch aus einem biblischen und einem individuellen Paul Young-Gottesbild. Heraus kommt ein Zerrbild, das in wesentlichen Teilen nicht dem biblischen Gottesbild entspricht. Vorsicht! Der Autor will nicht nur ein Märchen erzählen. Er erhebt den Anspruch, echtes Christsein zu beschreiben. Die Geschichte wird gebraucht - um nicht zu sagen missbraucht -, um eigene Werte im Namen der Trinität weiter zu geben, die dem Wort Gottes an vielen Stellen zutiefst widersprechen.

Es wird eine Gottesbeziehung proklamiert, die frei ist von Gesetzen, Regeln und Erwartungen (235ff). Mack fragt: “Willst du damit sagen, dass ihr überhaupt keine Erwartungen an mich habt?“ Darauf antwortet Gott: „Mein Liebling, ich habe niemals irgendwas von dir oder einem anderen Menschen erwartet.“ (238) Jesu Worte wirken hier sehr unpassend, wenn er sagt: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir“ (Math 16, 24).

Auf die aufgeworfenen Fragen antwortet der Autor regelmäßig mit einer Trinität, die lächelt und grinst, aber keine Antworten gibt. Mit der lachenden Hüttengottheit werden Spannungsfelder scheinbar aufgelöst, aber in Wahrheit nicht erklärt (z.B. 139). Die Aussagen der Hüttengottheit gleichen mehr einem Raumschiff Enterprise - Dialog von Außerirdischen als einem biblischen Gottesbild. Wir finden hier einen Mix von biblischen Wahrheiten und kraftvoller Phantasie vor. Hier wird ein Gottesbild entworfen, wie es dem Geist der Zeit entspricht. Ein Gott, der sich in allen Belangen um mich kümmert, den ich mir in der Hütte meines Lebens letztlich selbst zusammenschustere, da ja die Bibel als einzige außerhalb meiner Selbst stehende Offenbarungsgrundlage faktisch bedeutungslos ist. Die Gottheit der Hütte begegnet nicht nur den Schmerzen und der Not eines Menschen, sondern dreht sich stets um allerlei Bedürfnisse von Mack. Es wird ein Gott angeboten, der nichts von mir erwartet und sich stets um mich kümmert. Ein Gott, der keinerlei Ansprüche an mich erhebt, keine Regeln, keine Gebote, d.h. letztlich auch keine Wahrheit, für mich hat. Wer ist hier eigentlich Gott? So resümiert Mack sein Hüttenerlebnis und den Gott der Hütte am Schluss des Buches treffend mit den Worten: „Gott, mein Diener“ (273). Ich möchte dem Autor selbst die Frage stellen, die er in seinem Buch aufwirft: „Vielleicht stimmt das Bild nicht, das du dir von Gott gemacht hast“ (188)?